Frauen in den Naturwissenschaften - Wege aus dem Gender Gap
Frau Bellingrath-Kimura, sie waren als Sprecherin auf dem diesjährigen Gender Summit 10 in Tokyo eingeladen, um über die Gleichberechtigung in naturwissenschaftlichen Berufen in Deutschland zu berichten. Wie gleichberechtigt geht es denn bei uns zu?
Auch in Deutschland erlernen weniger Frauen als Männer einen Beruf in den Naturwissenschaften, was natürlich viel mit gesellschaftlichen Rollenbildern zu tun hat. Physik, Chemie, Technik etc. gelten eher als Männerdomänen. Ein Bild, das sich auch in den Köpfen der Frauen einprägt. Laut einer Studie aus dem Jahr 2015 wählen nahezu 30 % der jungen Frauen, die im Schulfach Mathematik sehr gut waren, dennoch ein Studium in den Bereichen Sprachen, Kultur, Sport oder Kunst. Bei den Jungen sind es nur knapp 10 %. Wenn Mädchen in die Naturwissenschaften gehen, dann zumeist in die Medizin oder Biologie.
Wie sollten wir damit umgehen?
Wir müssen junge Mädchen schon in der Schulbildung intensiver bei den für sie relevanten Themen abholen und für die Naturwissenschaften begeistern. Sie interessieren sich zum Beispiel deutlich mehr als Jungen für mentales und körperliches Wohlbefinden und nicht so sehr für Technik. Jetzt kann natürlich diskutiert werden, inwieweit das wieder mit übernommenen Vorurteilen zu tun hat, aber ich denke es ist zielführender, diese Unterschiede zu akzeptieren und damit zu arbeiten.
Wie steht es um die Arbeitsbedingungen in den naturwissenschaftlichen Berufen selber?
Leider gilt auch hier: Je höher man in der Karriereleiter schaut, desto geringer ist der Frauenanteil. Die Ursachen hierfür werden dabei laut einer Umfrage unter Professorinnen und Professoren in Leitungspositionen unterschiedlich wahrgenommen. Frauen wie Männer sahen zwar in der Vereinbarkeit von Familie und Karriere ein Haupthindernis. Aber deutlich mehr Frauen betrachten versteckte Diskriminierung und die Bildung von Männerseilschaften als ebenso triftige Gründe. Letzteres vor allem dann, wenn Frauen zeitlich und örtlich nur eingeschränkt arbeiten können.
Sie selbst sind im Juli 2016 Mutter geworden. Wie schaffen Sie es, Familie und ihre Position als Institutsleiterin unter einen Hut zu bekommen?
Ganz klar: Als Einzelkämpferin geht es nicht. Es ist wichtig, im Beruf ein gutes Team um mich zu haben, an das ich Aufgaben und Verantwortung abgeben kann. Und in Zeiten, wo ich als Entscheidungsträgerin vor Ort anwesend sein muss, erscheine ich auch mal mit Kind im Arm. Dazu braucht es natürlich ein Umfeld, das dies akzeptiert. Wir müssen aber auch Männer in ihren Väterrollen stärken. Meine Beobachtung ist, dass sobald das väterliche Engagement über den gelegentlichen Krankheitsdienst hinausgeht, Männer noch mehr als Frauen dafür im Beruf angekreidet werden. Was nur deutlich macht, dass Kinderbetreuung oft noch immer als Frauensache angesehen wird.
Was können wir noch tun, um den »Gender Gap« in den Naturwissenschaften zu schließen?
Mentoringprogramme, um Frauen die Strukturen der Karriereleitern besser aufzuzeigen, sind definitiv nützlich. Auch die Diskussion über eine Frauenquote hilft, da sie ein Umdenken anregt. Ich beobachte seither oft, dass sich über ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis Gedanken gemacht wird, bevor überhaupt irgendeine Quotenkarte gezogen werden muss.
Das Interview führte Tom Baumeister.
Prof. Dr. Sonoko Dorothea Bellingrath-Kimura
ist seit April 2015 Leiterin des Instituts für Landnutzungssysteme am ZALF. Ihre Fachgebiete umfassen den Pflanzenbau, die Bodenkunde und die Agrarwissenschaften. Neben ihrer Forschung befasst sie sich als Mentorin speziell mit der Förderung von jungen Wissenschaftlerinnen.
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