18.01.2023
Pressemitteilung
Einer kürzlich im Journal of Environmental Management erschienenen Studie zufolge sind CO2-Ausgleichszertifikate, die auf einer Steigerung der organischen Kohlenstoffmenge in landwirtschaftlichen Böden beruhen (Humuszertifikate), als Instrument für den Klimaschutz ungeeignet. Vor allem die Dauerhaftigkeit der Speicherung sowie deren Überwachung seien nicht ausreichend gewährleistet. Es sei unwahrscheinlich, dass die Zertifikate den Emissionsausgleich tatsächlich langfristig erbringen, für die sie am Markt gehandelt werden, so die Autorinnen und Autoren. Die dafür eingesetzten Mittel könnten an anderer Stelle wirksamerer eingesetzt werden, etwa im Bereich der Emissionsvermeidung. Es sei daher wichtig, alternative staatliche und private Anreizsysteme zu entwickeln, die langfristig zu Erhalt oder Steigerung der in Böden gespeicherten Mengen beitragen.
An der Studie waren das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL), das Thünen-Institut sowie die Technische Universität München beteiligt.
Durch die Erhöhung der Menge an organischem Kohlenstoff in landwirtschaftlichen Böden wird der Atmosphäre Kohlendioxid (CO2) entzogen, was dem Klimawandel entgegenwirkt. Für Landwirtinnen und Landwirte bringen höhere Kohlenstoffgehalte auch weitere Vorteile, darunter eine höhere Bodengesundheit und insbesondere eine bessere Wasserspeicherfähigkeit und damit Widerstandsfähigkeit gegen dürrebedingte Ertragseinbußen. Die Erhöhung der organischen Kohlenstoffgehalte erfordert allerdings Änderungen im landwirtschaftlichen Management, welche mit Kosten verbunden sind: zum Beispiel beim Anbau von Zwischenfrüchten für Saatgut und zusätzliche Arbeitsgänge, bei einer Diversifizierung der Fruchtfolgen durch die Berücksichtigung auch weniger profitablerer Nutzpflanzen, beim Anlegen von Hecken und Gehölzstrukturen durch erforderliche Investitionen und den Verlust von Anbaufläche für Feldfrüchte.
Sogenannte Humuszertifikate könnten zum Ausgleich dieser Kosten beitragen. Hierbei wenden sich Landwirtinnen und Landwirte an kommerzielle Zertifikatsanbieter, führen auf ausgewählten Flächen humusaufbauende Bewirtschaftungsmaßnahmen durch und erhalten nach einigen Jahren ein Zertifikat über die dort gemessene oder geschätzte Kohlenstoffzunahme und die damit verbundene CO2-Bindung. Diese Zertifikate werden dann als freiwilliger Emissionsausgleich verkauft, zum Beispiel an Unternehmen, die ihre Produkte als klimaneutral vermarkten wollen. Landwirtinnen und Landwirte erhalten im Gegenzug einen Preis pro Tonne CO2.
Humuszertifikate bleiben weit hinter den Erwartungen zurück
Wichtig ist, dass organischer Kohlenstoff im Boden nicht einfach eingelagert wird. Stattdessen führt ein komplexer mikrobieller Prozess in einem dynamischen Gleichgewicht zu Humusaufbau durch Kohlenstoffeinlagerung und Humusabbau durch Veratmung (CO2-Freisetzung). Intelligente ackerbauliche Maßnahmen können diesen Prozess beeinflussen und das dynamische Gleichgewicht zugunsten von Humusaufbau verschieben. Vor diesem Hintergrund untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Eignung von Humuszertifikaten als Emissionsausgleich. Darüber hinaus wurden positive und negative Zusatzeffekte von Zertifikaten und humusaufbauender Bewirtschaftung untersucht, sowie Fragen der Haftbarkeit bei erneuter Freisetzung des gespeicherten Kohlenstoffs geprüft.
Im Ergebnis bleiben die Boden-Kohlenstoff-Zertifikate leider weit hinter den Erwartungen zurück. „Es fehlt insbesondere an einer langfristigen Überwachung. Gegenwärtig können private Zertifizierungsanbieter die Permanenz der Kohlenstoffspeicherung nicht garantieren“, erklärt Dr. Carsten Paul, Leiter der Studie am ZALF. So kann der gespeicherte Kohlenstoff entweder durch Beendigung der humusaufbauenden Bewirtschaftung oder durch äußere Einflüsse wie den Klimawandel wieder freigesetzt werden. Aufgrund der Kombination aus Einmalzahlungen und fehlenden langfristigen Kontrollen ist es fraglich, ob Landwirtinnen und Landwirte die humus-aufbauende Bewirtschaftung über Jahrzehnte beibehalten und dabei die jährlich anfallenden Kosten tragen. Weder Landwirtinnen und Landwirte noch Zertifikatsanbieter haften dafür, wenn der gespeicherte Kohlenstoff nach dem Ende des Zertifizierungsvertrags wieder als CO2 freigesetzt wird. „Wenn Unternehmen Ausgleichszertifikate allerdings verwenden, um Produkte als klimaneutral zu vermarkten, ist dies bei nicht dauerhafter Kohlenstoffspeicherung eine Form von irreführender Werbung, gegen die geklagt werden könnte“, erklärt Paul.
Statt Humuszertifikaten sollten alternative Systeme und Gütesiegel entwickelt werden, die langfristige Anreize für eine Steigerung der organischen Kohlenstoffgehalte in den Ackerböden setzten. Die Erforschung und Entwicklung von privaten Geschäftsmodellen und öffentlichen Steuerungsoptionen zur Förderung einer verbesserten Bodengesundheit, der Erhaltung der biologischen Vielfalt oder der Anpassung an den Klimawandel müsse verstärkt werden.
Projektpartner:
- Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), Müncheberg
- Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ, Leipzig
- Thünen-Institut für Agrarklimaschutz, Braunschweig
- Technische Universität München
Förderhinweis:
Diese Arbeit wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Förderinitiative BonaRes - Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie gefördert (Förderkennzeichen 031B0511A, 031B0511B, 31B0511C, 031B1064A, 031B1064B, 031B1064C).
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Laut einer aktuellen Studie eignen sich sogenannte „Humuszertifikate“ nicht als Instrument für den Klimaschutz, da vor allem die dauerhafte Speicherung von Kohlenstoff im Boden und deren Überwachung nicht gewährleistet werden könne. Quelle: © Jan Kopřiva / Unsplash.