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ZALF-Stellungnahme zur Kampagne „Natürlich CO2 binden“

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28.07.2020

Natürlich Co2 binden

Es kommt selten vor, dass Ausführungen in einer Zeitung wie der topagrar sich so sehr von den gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen unterscheiden, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des ZALF genötigt sehen, öffentlich zu widersprechen. Der Artikel „Landwirtschaft: CO2-Sünder oder Retter?“ (Ausgabe 6/2020) und die dazugehörige Schilderkampagne der LEHNER Maschinenbau GmbH stellen einen solchen Sonderfall dar. Im Beitrag setzt sich das ZALF gezielt mit den Aussagen des Artikels auseinander und stellt Aussagen auf den wissenschaftlichen Prüfstand.

Die Berechnungen, die Prof. Schöneberger und sein Team in der topagrar vorstellen, vermengen in irreführender Weise klimarelevante Emissionen mit langfristiger- und kurzfristiger Kohlenstoffspeicherung und kommen folglich zu grob falschen Ergebnissen. Folgt man den Ausführungen, wäre die Klimawirkung im Ackerbau immer positiv und hinge vor allem vom Ernteertrag ab. Extensiv bewirtschaftetes Grünland würde dabei den kleinsten Beitrag zum Klimaschutz leisten, intensiv bewirtschaftete, humuszehrende Kulturen wie die Zuckerrübe dagegen den größten Beitrag. Hier wird etwas schöngerechnet. Die Erfolge von Landwirtschaftsbetrieben, die tatsächlich positive Klimawirkung erzielen indem sie Emissionen reduzieren und den Kohlenstoffanteil ihrer Böden über Jahre hinweg aufbauen, wären nach der Logik dieses Artikels fast bedeutungslos.

In unserer Antwort wollen wir aus Gründen der Übersichtlichkeit nur auf zwei grobe Falschaussagen eingehen.

Die Anrechnung von Erntegut als klimarelevanter CO2-Speicher ist fachlich falsch

Die Anrechnung von Erntegut im Ackerbau und Grünlandbewirtschaftung als klimarelevanter CO2-Speicher ist aus fachlicher Sicht falsch. Der hier gebundene Kohlenstoff ist Teil eines natürlichen Gleichgewichtskreislaufs. Beim Wachsen von Nahrung wird CO2 gebunden und Sauerstoff freigesetzt, bei der Verwertung dieser Nahrung durch Menschen, Tier und Mikroorganismen werden dieselben Mengen CO2 wieder freigesetzt und Sauerstoff veratmet. Die Bilanz ist null, von einer vermeintlichen Klimawirkung bleibt nichts übrig. Diese Begründung gibt zum Beispiel auch der Weltklimarat in seinen internationalen Empfehlungen zur Erfassung von Klimawirkungen. Aus dem gleichen Grund wird z. B. die jährliche Laubproduktion eines Waldes nicht als Klimaschutzbeitrag gewertet.

Freigesetztes CO2 aus fossilen Kraftstoffen und Lachgasemissionen infolge der Düngung sind dagegen nicht Teil des oben genannten Kreislaufs. Sie würden ohne unsere landwirtschaftliche Praxis nicht entstehen. Diese Emissionen reichern sich über Jahrzehnte bis Jahrhunderte in der Atmosphäre an und tragen dort zur Erhitzung unseres Planeten bei. Die nur kurzfristige Festlegung von Kohlenstoff im Erntegut gegen diese Emissionen aufzurechnen ergibt keinen Sinn.

Entsprechend irrführend sind daher die Formulierungen der Schilderkampagne der LEHNER Maschinenbau GmbH, wie z. B. „1ha Rüben bindet ca. 21 t CO2 und setzt ca. 14 t Sauerstoff frei“. Laut derselben Kampagne bindet ein Hektar Wald im Vergleich nur 6 Tonnen CO2. Würde dies tatsächlich zutreffen, könnten wir das Klima entlasten, indem wir unsere Wälder abholzen und in Ackerflächen verwandeln. Das klingt abwegig und ist es auch. Hier wird eine Klimaschutzwirkung suggeriert, die es nicht gibt. Ein Irrtum, den inzwischen auch der Initiator der Kampagne selbst in einem Interview mit der Kreiszeitung Syke bestätigt (https://bit.ly/2YOnn5t). Um CO2 im Sinne des Klimaschutzes zu binden, muss dieses über deutlich längere Zeiträume dem atmosphärischen Kreislauf entzogen werden.

Entfällt die Anrechnung von Erntegut als klimarelevanter CO2-Speicher in den Berechnungen von Herrn Prof. Schönberger, ist nicht nur die Klimabilanz für alle Kulturen negativ, sondern es ändert sich auch die Reihenfolge deutlich. Zuckerrüben haben dann die schlechteste Bilanz und Feldfutter hat die beste. Dies entspricht auch dem Stand der Wissenschaft.

Die Aussagen zu Emissionen landwirtschaftlich genutzter Moorböden sind falsch

Im Text heißt es, dass landwirtschaftlich genutzte Moorflächen etwa 20 Mio. t CO2 emittieren würden. Damit würden diese Emissionen rund 30% der 64 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausmachen, die für die Landwirtschaft im Jahr 2018 angerechnet wurden. Auch diese Argumentation ist falsch. Die CO2-Emissionen aus entwässerten Moorböden sind kein Teil der 64 Millionen Tonnen, sie fallen zusätzlich an. Diese Emissionen werden in den offiziellen Klimabilanzen nicht unter der Kategorie “Landwirtschaft“, sondern unter der Kategorie „Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft“ verbucht.

Die im Artikel durchgeführte Abschätzung ist mit 20 Mio. Tonnen zudem sehr gering. Eine Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage im Jahr 2016 beziffert diese Emissionen mit 37 Mio. Tonnen als fast doppelt so hoch (Deutscher Bundestag, 2016, Drucksache 18/7197).

Ackerbau und Klimaschutz

Ackerbau leistet mit der Produktion von Nahrungsmitteln und Rohstoffen einen unverzichtbaren gesellschaftlichen Beitrag. Zudem gibt es tatsächlich ein sehr großes Potential, den Klimaschutz durch langfristige Erhöhung des Kohlenstoffanteils im Boden voran zu treiben (siehe z. B. die 4–per-1000 Initiative, www.4p1000.org). Viele Betriebe wenden bereits erfolgreich Strategien an, um dies umzusetzen. Sie bauen Zwischenfrüchte an und setzen auf vielfältige Fruchtfolgen mit Leguminosen, um langfristig die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen. Weitere Maßnahmen, aber auch Schwierigkeiten beim Klimaschutz durch Humusaufbau, werden u.a. in einer aktuellen Studie zu Humuszertifikaten vorgestellt (frei verfügbar unter: https://bit.ly/3dxsACN). Eine dauerhafte Erhöhung des Humusvorrats im Boden entlastet dabei nicht nur das Klima, sondern hilft auch, negative Folgen des Klimawandels abzupuffern.

Die Aussagen des Artikels „Landwirtschaft: CO2-Sünder oder Retter?“ stehen teilweise in direktem Widerspruch zum Stand des Wissens über die Klimawirkung verschiedener landwirtschaftlicher Praktiken. Sie senden ein falsches Signal und diskreditieren die Erfolge von Landwirtschaftsbetrieben, die bereits (innovative) Maßnahmen für Klimaschutz und einen ökonomisch tragfähigen und nachhaltigen Ackerbau umsetzen. Es gibt bereits eine Vielzahl von Beispielen aus der Praxis, die zeigen, wie das funktionieren kann.

Eine gekürzte Variante der Stellungnahme erschien in top agrar Heft 8/2020, S. 50 f.

 

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