27.09.2024
Bestäuberinsekten wie Hummeln spielen eine entscheidende Rolle bei der Fortpflanzung von Wildpflanzen, indem sie nicht nur die Samenbildung ermöglichen, sondern auch den Austausch genetischer Informationen fördern. Das ist gerade von Bedeutung in Agrarlandschaften, da die Wildpflanzenpopulationen häufig durch Siedlungen, Felder und Straßen räumlich voneinander getrennt sind. Forscherinnen und Forscher, unter anderem vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF), haben untersucht, wie verschiedene Landschaftselemente Sammelrouten von Hummeln in solchen Agrarlandschaften beeinflussen und welche Auswirkungen dies auf die genetische Vielfalt der Pflanzenbestände hat. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift Ecology and Evolution veröffentlicht.
Für ihre Studie haben die Forschenden exemplarisch eine Pflanzenart untersucht, die in vielen Laubmischwäldern Mitteleuropas vorkommt - das Vielblütige Salomonssiegel (Polygonatum multiflorum). Die Blüten werden unter anderem von der Ackerhummel (Bombus pascuorum) bestäubt. Die Studie zeigte, dass bestimmte Landschaftselemente wie Maisfelder und Grünland die Sammelflüge der Hummeln und damit den genetischen Austausch zwischen den Pflanzenvorkommen beeinflussen.
Unerwartete Wirkung von Maisfeldern
„Wenn Maisfelder an die untersuchten Waldgebiete angrenzten, zeigte sich ein positiver Effekt auf die genetische Diversität des Salomonsiegels“, erklärt
Jannis Feigs, Doktorand in der Arbeitsgruppe „Biotische Interaktionen zwischen Wald- und Agrarflächen“ und Hauptautor der Studie. „Da Maisfelder für Ackerhummeln keine Nahrung bereitstellen, suchen sie woanders nach Nektar und Pollen - beispielsweise bei der untersuchten Pflanze, dem Salomonsiegel.“
Extensive Grünlandflächen hingegen boten den Hummeln reichlich Nahrung, so dass sie nicht mehr die weiten Strecken bis zum nächsten Waldstück zurücklegen mussten. Diese Flächen, die durch minimalen Einsatz von Düngemitteln und ohne Pflanzenschutzmittel bewirtschaftet werden, zeichnen sich durch eine hohe Artenvielfalt aus. „In diesen Fällen konnten wir beobachten, dass sich die Hummeln seltener zwischen den Wäldern bewegten. Das wirkte sich auf die genetische Vielfalt in den Salomonsiegel-Beständen aus“, so Feigs weiter.
Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, dass die Zusammensetzung der Landschaft in der Umgebung von Waldgebieten entscheidend für die Sammelrouten von Hummeln und damit für den genetischen Austausch von Pflanzen ist.
Kein Argument für mehr Mais
Obwohl die Maisfelder hier einen positiven Effekt auf das Salomonsiegel hatten, sollte die Studie keinesfalls als Argument für einen verstärkten Maisanbau verstanden werden. Vielmehr zeigt sie die komplexen ökologischen Zusammenhänge und Zielkonflikte in der Landschaftsplanung auf. Da Maisfelder Bestäubern kein Nahrungsangebot bieten, stellen sie eine Barriere in der Landschaft dar, anhand derer Bewegungen von Bestäubern geleitet werden können. Extensive Grünlandflächen fördern hingegen eine Vielzahl von Pflanzenarten und bieten Lebensräume sowie Nahrungsquellen für zahlreiche Insekten, Vögel und andere Tiere. Deshalb ist es wichtig, eine ausgewogene Mischung aus landwirtschaftlich genutzten Flächen und natürlichen oder naturnahen Lebensräumen zu schaffen.
Agrarlandschaften sind Flickenteppiche
Das Salomonsiegel ist eine typische Waldpflanze, die vor allem in großen Wäldern vorkommt. Heutzutage sind ihre Vorkommen oft durch Straßen, Felder und Siedlungen voneinander getrennt. Aus Sicht der Pflanzen sind Agrarlandschaften deshalb oft Flickenteppiche. Der Fachbegriff dafür lautet Habitatfragmentierung. Sie gilt als eine der Ursachen für das Artensterben in Mitteleuropa. Da der genetische Austausch seltener wird, verarmt der Genpool innerhalb eines Bestandes. Somit steigt das Risiko, dass die Populationen aussterben.
Bestäuber können Straßen und Felder überfliegen und ermöglichen so den genetischen Austausch zwischen Pflanzen trotz räumlicher Trennung. Besonders Hummeln spielen dabei eine wichtige Rolle, da sie oft weite Strecken zurücklegen.
Methodischer Ansatz
Für ihre Untersuchungen fingen die Forschenden in verschiedenen Waldgebieten in Deutschland und Südschweden Hummeln und entnahmen Blattproben von mehreren Salomonsiegel-Beständen. Mit Hilfe von Mikrosatelliten-Markern analysierten sie die genetische Struktur der gesammelten Proben. Die Ackerhummeln in einem Volk können durch Vaterschaftsanalysen demselben Nest zugeordnet werden. Auf diese Weise ist es möglich über die genetischen Daten herauszufinden, wie weit die Tiere zwischen ihren Nistplätzen und den Fangorten gereist sind.
Anschließend charakterisierten die Forschenden anhand von Luftbildern und georeferenzierten Daten die umgebende Landschaft der Waldgebiete und setzten diese Informationen mit den genetischen Daten der Hummeln und Pflanzen in Beziehung.
Projektpartner:
- Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V., Müncheberg, Deutschland
- Southern Swedish Forest Research Centre, Swedish University of Agricultural Sciences, Alnarp, Schweden
- Vegetationsökologie und Naturschutzbiologie, Institut für Ökologie, Fachbereich 2, Universität Bremen, Bremen, Deutschland
Förderhinweis:
Diese Studie wurde gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Grant/Award Number: HO 4742/2-1, KR 5060/1-1 und 1067/2-1), dem FWO Scientific Research Network FLEUR, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK).