25.11.2024
Pressemitteilung
Das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) erhält eine Bewilligung für den Sondertatbestand „Innovationszentrum für Agrarsystemtransformation“ (IAT). Mit dem IAT arbeitet das ZALF zukünftig noch enger mit der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Universität Kassel und der Hochschule Geisenheim University am Ausbau einer praxisnahen Agrarforschung. Dazu wird 2026 das neue IAT an den ZALF-Standorten in Brandenburg sowie an den neuen drei Standorten in Hessen eröffnet. Das IAT bildet den organisatorischen Rahmen, um insgesamt fünf regionale Reallabore in Hessen und Brandenburg zu entwickeln. Es werden mehrere neue Arbeitsgruppen mit bis zu neun Professuren eingerichtet. Geplant ist ein Stellenausbau um rund 70 feste Mitarbeitende. Die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) hat in ihrer Herbstsitzung am 22. November 2024 der Förderung dieser strategischen Erweiterung in Höhe von 9,5 Mio. Euro jährlich zugestimmt.
Das ZALF hat am 22. November 2024 den positiven Entscheid der GWK zur Einrichtung des „Innovationszentrums für Agrarsystemtransformation“ (IAT) erhalten. Die neue Struktur wird als dauerhafte strategische Erweiterung des ZALF in Zusammenarbeit mit der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Universität Kassel und der Hochschule Geisenheim University aufgebaut. Ziel der Erweiterung ist die dauerhafte, systematische gemeinsame Forschung mit nichtwissenschaftlichen Akteuren zur Transformation der Agrarsysteme in Reallaborregionen. Mit den Kooperationspartnern in Hessen wird das ZALF seine Forschungsbereiche auf weitere Themen, wie integrierte Tier-Pflanzen-Systeme, intensivierte ökologische Landwirtschaft und klimaresilienten Weinbau erweitern und für die gemeinsame Forschung wichtige Infrastrukturen ausbauen.
„Wir freuen uns sehr über diese Entscheidung, denn wir haben an diesem Konzept in den letzten Jahren hart und intensiv gearbeitet. Daher gilt mein Dank insbesondere den beteiligten Kolleginnen und Kollegen hier am ZALF sowie den Partnern in Hessen. Ich danke auch der GWK, die dem ZALF das Vertrauen ausgesprochen hat, mit dem Vorhaben die nachhaltige Transformation der Landwirtschaft in Deutschland signifikant wissenschaftlich zu begleiten und voranzutreiben. In den letzten Jahren haben wir bereits wertvolle Erfahrungen zur Forschung in und mit Real- und Landschaftslaboren gesammelt, beispielsweise im FINAL-Projekt oder in unserem patchCROP-Landschaftslabor in der Nähe von Müncheberg. Durch die dauerhafte Erweiterung unserer Mittel können wir diesen praxisnahen Ansatz jetzt deutlich intensiver und in einer größeren thematischen Breite verfolgen. So entstehen gemeinsam mit Landwirtinnen, Landwirten und weiteren, nichtwissenschaftlichen Akteuren in diesen Reallaboren Lösungen, die nicht nur wissenschaftlich fundiert, sondern von Beginn an gemeinsam entwickelt werden und damit schneller anwendbar sind“, fasst
Prof. Frank Ewert, Wissenschaftlicher Direktor des ZALF, die Vision des neuen Zentrums zusammen.
„Diese Entscheidung ist auch ein Meilenstein für die Transformationsforschung für Sonderkulturstandorte, wie zum Beispiel die besonderen Landschaften für den Wein- und Obstbau, in eine tragfähige Zukunft. Da kann man nur allen am Konzept beteiligten Kolleginnen und Kollegen der verschiedenen Standorte danken, dass es zu diesem Real- und Landschaftslabor-Ansatz kommt, denn nur unter real-praktischen Bedingungen lassen sich alle Facetten eines Transformationsprozesses abbilden und damit möglichst schnell in die Anwendung bringen. Und dieser Umbau und dessen Umsetzung, auch unter ökonomisch tragfähigen Bedingungen, ist dringender als je zuvor“, so
Prof. Hans Reiner Schultz, Präsident der Hochschule Geisenheim University.
„Diese Kooperation wird die Arbeit an der Universität Kassel um das neue Themenfeld der Reallaborforschung erweitern, dem national und international große Bedeutung beigemessen wird. Unser Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften ist schon jetzt international renommiert. Nun bilden wir einen starken hessischen Verbund, das kommt unseren Forscherinnen und Forschern ebenso zugute wie unseren Studierenden“, kommentierte Universitätspräsidentin Prof. Dr. Ute Clement. „Mit dem Leibniz-Zentrum erhält dieser hessische Verbund einen Partner, mit dem wir diese Forschung vertiefen können und der die Forschungslandschaft in unserer Region bereichert,“ bekräftigt
Prof. Ute Clement, Präsidentin der Universität Kassel.
Prof. Katharina Lorentz, Präsidentin der Justus-Liebig-Universität Gießen betont: „Unsere Gesellschaft benötigt dringend innovative Ideen für zukunftsfähige und gemeinsame Lösungen in der Landwirtschaft. Ich freue mich sehr darüber, dass die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) – traditionell sehr stark in der Agrarforschung – dazu beitragen wird, die Lösungsansätze des neuartigen Zentrums auf ihre Wirksamkeit zu prüfen und gemeinsam mit allen Partnern zu optimieren.“
„Ich freue mich sehr, dass die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz zu dieser Entscheidung gekommen ist“, erklärt
Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). „Die Zusammenarbeit zwischen den ZALF-Standorten in Brandenburg und den neuen Standorten in Hessen ermöglicht es, die Vielfalt der deutschen Agrarlandschaften zu berücksichtigen, praxisnahe Innovationen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft voranzutreiben und die Forschungsleistungen der Agrarwissenschaft sowohl national als auch international zu erhöhen. Dies ist ein wesentlicher Baustein für ein zentrales Anliegen des BMEL - die Resilienz unseres Agrar- und Ernährungssystems.“
Bis 2027 entstehen fünf Reallabore und neun Arbeitsgruppen in Brandenburg und Hessen
Geplant ist der Aufbau von insgesamt fünf Reallaboren in Brandenburg und Hessen ab 2026. In diesen sollen längerfristige Kooperationsstrukturen von mehreren Jahrzehnten mit relevanten Akteuren der Landnutzung und Politik vor Ort und im Landschaftsmaßstab aufgebaut werden. Die Reallabore werden hierbei regional besonders bedeutsame Fragestellungen der Landnutzung und regionalen Wertschöpfung bearbeiten, wie etwa Fragen des Mischfruchtanbaus auf schlechten Böden in Brandenburg, oder eines zukunftsträchtigen Weinbaus in Hessen, um nur zwei Beispiele zu nennen. Nach dem Aufbaujahr 2026 sollen dazu ab 2027 zwei Koordinationsbüros am ZALF-Standort in Müncheberg in Brandenburg und am Standort Gießen in Hessen eingerichtet werden. Am ZALF und in den Partnereinrichtungen werden zudem neun gemeinsame Professuren und weitere Arbeitsgruppen entstehen, die die bestehenden Programmbereiche des ZALF ergänzen. Insgesamt ist ein Stellenaufwuchs um 70 Mitarbeitende geplant.
In Brandenburg sind zunächst folgende Reallabore geplant:
- Ostbrandenburger Ackerbauregion (Multifunktionale und diverse Ackerbausysteme)
- Havelländisches Luch (Klimaschutz und Grünlandnutzung in Niedermoorregionen)
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle unterstreicht: „Wir in Brandenburg wissen schon lange: Wenn es um die Landwirtschaft der Zukunft geht, kommt man am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung nicht vorbei. Ich freue mich sehr, dass das Potenzial dieser Forschungseinrichtung jetzt auch außerhalb Brandenburgs entdeckt wird. Der Charme des neuen Innovationszentrums für Agrarsystemtransformation liegt auf der Hand: Statt im Elfenbeinturm werden in Reallaboren mit Landwirten und weiteren Agrar-Akteuren Lösungen zu Fragen der Ernährungssicherheit, Klimaveränderung und Nachhaltigkeit entwickelt – gemeinsam, konkret und praxisnah. So sieht Agrarforschung ‘Made in Brandenburg‘ aus.“
In Hessen sind zunächst folgende Reallabore geplant:
- Nordhessische Lössebene (Intensivierte Ökologische Landwirtschaft)
- Hessisches Mittelgebirge (Integrierte Pflanzen-Tier-Agrarsysteme)
- Rheingau (Multifunktionale und klimaresiliente Weinbausysteme)
„Hessen ist ein wichtiger Agrarstandort. Ich begrüße sehr, dass die Stärken der drei universitären agrar- und ernährungswissenschaftlichen Fakultäten in Gießen, Kassel und Geisenheim in diesem Transformationszentrum optimal zum Einsatz kommen“, so der
hessische Wissenschaftsminister Timon Gremmels.
Lösungen entwickeln, die in der Praxis Bestand haben
Die Forschungsthemen der Reallabore sollen eng an die Bedürfnisse und Besonderheiten der jeweiligen Region angepasst werden. Das Besondere an diesem Forschungsansatz ist, dass die Maßnahmen direkt unter realen Bedingungen entwickelt und erprobt werden. So entstehen praxisnahe Lösungen, die sich auch wirtschaftlich für Landwirtinnen und Landwirte lohnen sollen und regionale Wachstumsimpulse setzen. Die Forschungsfragen werden von Beginn an mit den Akteuren aus Praxis, Politik, Gesellschaft vor Ort in Kooperation mit der Wissenschaft entwickelt und Lösungen gemeinsam getestet und reflektiert. Beispielsweise könnten Projekte zu neuen Technologien und Produktinnovationen, zur Erprobung von politischen Steuerungsinstrumenten oder zum Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten durchgeführt werden. Neben der regionalen Ebene ist die Einbindung der nationalen Politik und Verwaltung im Konzept vorgesehen.
Anders als in rein wissenschaftlichen Projekten, in denen Experimente unter stark kontrollierten und standardisierten Bedingungen ablaufen, wird im Reallabor unter realen, oft komplexen Bedingungen und im sogenannten Co-Design-Ansatz mit nichtwissenschaftlichen Akteuren geforscht. Die kontrollierten Ansätze sind zwar wichtig, um klare und vergleichbare Ergebnisse zu erzielen, spiegeln aber die vielfältigen Herausforderungen in der Praxis oft nicht wider. Viele im Labor entwickelte Lösungen scheitern in der Anwendung, weil sie nicht an die tatsächlichen Bedingungen vor Ort angepasst sind. Das betrifft besonders komplexe landwirtschaftliche Problemstellungen, wie den Klimawandel oder das Artensterben, die eine praxisnahe und anpassungsfähige Forschung verlangen.
Ein neuer Impuls für die Agrarforschung in Deutschland und Europa
Die Agrarforschung in Deutschland erhält durch das IAT einen bedeutenden Impuls. Die Reallabore bieten eine geeignete Plattform, um den Herausforderungen unserer Zeit – wie Klimawandel, Ernährungssicherung, Artensterben oder Erhalt der Bodengesundheit – in einem umfassenden und praxisnahen Rahmen zu begegnen. Neben der Wirkung für Praxis und Gesellschaft werden wichtige Impulse für die Forschung erwartet, nicht zuletzt für inter- und transdisziplinäre Forschungszugänge und ihre Bewertung sowie systemische Agrarforschung. Die Struktur des IAT schafft auch hierfür zahlreiche Anknüpfungspunkte, Kooperationsmöglichkeiten und Lernräume, u. a. mit einer IAT-Akademie.
Das innovative Reallabor-Konzept des IAT greift die Empfehlungen des Wissenschaftsrats aus dem Jahr 2023 auf, der betont, dass eine langfristige und systemische Agrarforschung nötig sei, um die Transformation der Landwirtschaft zu fördern. Das ZALF hat die strategische Erweiterung im Jahr 2022 über das Sitzland Brandenburg beantragt und in Vor-Ort-Begehungen durch die Leibniz-Gemeinschaft und den Wissenschaftsrat erfolgreich vorgestellt und verteidigt.
Förderhinweis:
Das IAT soll zukünftig mit Mitteln des Bundes und der Länder über eine Aufstockung der Grundfinanzierung des ZALF von jährlich 9,5 Mio. Euro realisiert werden. Mit Blick auf den noch nicht abschließend vorliegenden Haushalt 2026 steht die Förderzusage noch unter Finanzierungsvorbehalt.
Projektpartner:
- Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
- Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU)
- Universität Kassel
- Hochschule Geisenheim University (HGU)
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