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Die Sumpfkühe

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Das Niedermoor in Brandenburg ist bedroht. Wissenschaftler erarbeiten neue Bewirtschaftungsverfahren, um den Fortbestand dieses Ökosystems zu sichern.

Es riecht nach Kuh. In der Forschungsstation Paulinenaue, einer Außenstelle des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e.V., treiben Wilfried Bock und seine Kollegen eine kleine Rinderherde zur Fangstelle. Die Kühe tragen ein Transpondersystem um den Hals, das alle fünf Minuten den Herzschlag und die Körpertemperatur misst und die Aufenthaltsorte auf den Koppeln festhält. Während die Kühe gewogen werden, verkabelt ein Mitarbeiter das System und speist die Informationen der letzten Wochen in die Computer der Forschungsstation ein. Diese Operation ist Teil der Untersuchungen, die unter der Leitung von Dr. Jürgen Pickert im Rahmen des Projekts „Nutzungsstrategien für kalkreiches Niedermoorgrünland“ durchgeführt werden.

Das havelländische Niedermoorgrünland ist ein einzigartiges Ökosystem, Lebensraum für viele Pflanzen- und Tierarten. Der streng geschützte Lungenenzian blüht hier, und die seltenen Großtrappen, die zu den schwersten flugfähigen Vögeln der Welt zählen, finden ungestörte Brutplätze. Dank seines Vermögens, riesige Mengen Wasser zu speichern, dient das Niedermoor außerdem als natürlicher Hochwasserschutz und aufgrund seiner Filterwirkung trägt das Ökosystem zum Erhalt der Trinkwasservorräte bei.

Wenn Jürgen Pickert erklärt, was dem Niedermoor in den letzten 300 Jahren so zu schaffen gemacht hat, zeigt er auf einen Kanal. Dieser zieht sich unweit der Koppeln entlang. „In den Jahren 1718 bis 1724 wurde er von Hand geschippt, um das Wasser aus dem Moor zu leiten“, erzählt er. „Mit einem ausgeklügelten Kanalsystem entwässerten die Bauern das Land. So gewannen sie Anbauflächen für Futtergräser und dort, wo es die erreichten Wasserstände zuließen, sogar für Hafer, Weizen oder Winterraps.“ Auf einigen Flächen wurde die Torfschicht des Niedermoorgrünlands allerdings durch die Entwässerung zerstört und ist unwiederbringlich verloren. Um das übrig gebliebene Ökosystem zu bewahren, erforscht das Team um Jürgen Pickert Möglichkeiten einer schonenderen Bewirtschaftung des Grünlands, wobei die Entwässerungsmaßnahmen auf ein Mindestmaß reduzieren werden sollen.

Und hier kommen die Kühe in der Forschungsstation Paulinenaue ins Spiel. Denn: Drei Herden zu je sechs Mutterkühen mit ihren heranwachsenden Kälbern dienen den Forschern als Versuchsherden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ihre Tiere gut mit dem Grünland zurechtkommen, obwohl dort keine hochwertigen Futterpflanzen wachsen und manche Flächen viel zu nass sind.

Neben der Entwicklung des Gewichts wird auch das Tierwohl unter die Lupe genommen: Rückschlüsse darüber erlauben die Daten aus dem Transpondersystem. Die Auswertung überrascht, sagt Jürgen Pickert: „Gerade die niedrig gelegenen, feuchteren Bereiche suchen die Rinder an heißen Tagen vorzugsweise auf. Dort wächst zwar nicht so nahrhaftes Futter, doch es ist kühler.“ In Zeiten des Klimawandels eine wichtige Erkenntnis: In den letzten Jahrzehnten hat sich die Anzahl der Tage mit einer Temperatur von über 30 Grad Celsius in Brandenburg fast verdoppelt.

„Unsere Arbeit macht deutlich: Das Niedermoorgrünland kann nicht nur Lebensmittel wie Fleisch und Milch sowie Rohstoffe für alternative Energien wie Biogas liefern“, sagt der Forscher. „Die Menschen möchten auch eine abwechslungsreiche Landschaft sehen, weidende Kühe gehören nun einmal dazu“, sagt er.

Jürgen Pickert und sein Team haben einen Katalog von Handlungsmöglichkeiten für die Landwirte der Region er arbeitet, denn nur eine Nutzung, die es dem Bauern erlaubt, die Anforderungen des Naturschutzes zu erfüllen und dabei trotzdem Geld zu erwirtschaften, kann den Fortbestand der Brandenburger Niedermoorflächen gewährleisten. Das ist auch deswegen so wichtig, weil der Landstrich eine zentrale Rolle für das Klima spielt: In den 10.000 Jahren seiner Entstehung entzog das Niedermoor der Atmosphäre große Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid. Der anfallende Kohlenstoff ist im wassergesättigten Boden fest eingelagert. Pro Hektar sind bis zu 2.000 Tonnen Kohlenstoff gespeichert.

„Wird dem Niedermoorgrünland Wasser entzogen, gelangt Sauerstoff in den Boden“, sagt Jürgen Pickert. Die Mineralisierung des Torfes kommt dann in Gang, Kohlendioxid wird freigesetzt und gelangt in die Atmosphäre. Das Projekt der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Jürgen Pickert ist also nicht nur gut für die lokale Flora, Fauna und Landwirtschaft: Es trägt darüber hinaus dazu bei, dass das in den Niedermoorflächen Nordostdeutschlands gebundene Kohlendioxid weiterhin dauerhaft im Boden bleibt.

 

Den ausführlichen Beitrag können Sie im Magazin forschungfelder des BMEL nachlesen: Heft 4/2016

 

Infomaterial und weiterführende Informationen:

 

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