09.07.2025
Pressemitteilung

Dr. Doreen Werner, ZALF-Forscherin und Expertin für zweiflügelige Insekten, hat in einem Citizen-Science-Projekt untersucht, welche Rolle Fliegen bei der Übertragung von Krankheitserregern aus der Nutztierhaltung spielen. Bürgerinnen und Bürger unterstützten das Forschungsteam, indem sie Stubenfliegen sammelten und einschickten. In Zusammenarbeit mit dem Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) in Braunschweig konnte so erstmals nachgewiesen werden, dass Fliegen verschiedene Bakterien und Krankheitserreger, darunter auch antibiotikaresistente Erreger, in das Lebensumfeld des Menschen bringen können. Dr. Doreen Werner berichtet im Podcast des Leibniz-Forschungsverbunds INFECTIONS über die Forschungsergebnisse aus dem Projekt.
Von Fliegen, die in Schweinemastbetrieben brüten, über die Verfügbarkeit von Antibiotika in der Welt und den Einfluss der Politik – Folge 2 des Podcast „Mikroben im Visier“ zeigt das breite Spektrum der Forschung im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS auf.
Antibiotika im Abwasser und in der Tierhaltung, resistente Krankheitserreger in der Atemluft, Evolution von Resistenzen und Selbstmedikation in Ländern des globalen Südens – im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS wird zu diesen und vielen weiteren Themen geforscht. Die neuesten Erkenntnisse wurden beim INFECTIONS-Symposium „Antimikrobielle Resistenzen – die stille Pandemie!“ im März 2025 vorgestellt.
In der aktuellen Folge des Podcasts „Mikroben im Visier“ haben sich die Moderatoren Elisabeth Pfrommer vom Robert Koch Institut und Christian Nehls vom Forschungszentrum Borstel, Leibniz-Lungenzentrum bei drei Teilnehmern des Treffens umgehört und erfahren, was aktuell zu antimikrobiellen Resistenzen geforscht und worüber diskutiert wird.
Forschung mit Bürgerbeteiligung
Dabei ging es zum Beispiel auch um Fliegen, die aufgrund ihrer Mobilität Bakterien oder andere Krankheitserreger aus der Nutztierhaltung in Wohngebiete tragen, und damit auch resistente Erreger verbreiten können. Welche Strecken die Fliegen dabei zurücklegen, und ob die Keime auch in Wohnungen von Menschen landen, die von der ursprünglichen Brutstätte im Schweinestall weiter entfernt sind, hat Dr. Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung in Müncheberg, Brandenburg, in einem Citizen-Science-Projekt untersucht. Dazu wurden Bürgerinnen und Bürger eingeladen, Fliegen aus ihrem persönlichen Umfeld einzufangen. „Wir haben – entlang eines Transsektes in bestimmten Abständen von der Brutstätte der Fliegen entfernt – Haushalte gezielt ausgesucht und Leute instruiert, wie sie die Fliegen einfangen und diese aufbewahren sollen, damit wir sie zur späteren Diagnostik benutzen können“, erzählt die Expertin für Mücken und Fliegen. „100 Prozent der Befragten haben sich beteiligt. Das ist ein sensationelles Ergebnis.“ Und dank der Unterstützung durch diese Haushalte wurden über 600 Exemplare, der gesuchten Fliegenart (Musca domestica, gemeine Stubenfliege) gefangen, tiefgekühlt und anschließend im Labor untersucht. Dabei kam heraus, dass nahe der Brutstätte erwartungsgemäß viel mehr Fliegen in den Wohnbereich hineingehen und sich dann die Populationsdichte der Fliegen mit zunehmender Entfernung auch in den Haushalten ausdünnt. Und in Zusammenarbeit mit Dr. Ulrich Nübel und seinem Team am Leibniz-Institut DSMZ (Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen) in Braunschweig wurde nachgewiesen, dass tatsächlich auch die antibiotikaresistenten Bakterien durch die Fliegen in den Wohnbereich des Menschen gelangen. „Und dafür gab es bisher überhaupt keine belastbaren Daten“, betont Werner. Durch dieses Citizen-Science-Projekt sei es das erste Mal gelungen, diese Daten im persönlichen Umfeld von Menschen in diesem Umfang zu erheben.
Die Fliegen oder andere Zweiflügler sind nur einer von verschiedenen Transportwegen, über die Antibiotikaresistenzen verbreitet werden. Weitere sind die Übertragung über Luft, über Wasser oder von Mensch-zu-Mensch. Diese Themen werden ebenfalls von Partnern im Leibniz-Forschungsverbund INFECTIONS untersucht.
Verantwortungsvoller Umgang mit Antibiotika – Politik ist gefordert
Beim Symposium ging es aber auch um Strategien zur Bewältigung von antimikrobiellen Resistenzen in der Welt. In einer Podiumsdiskussion kam unter anderem Professor Ramanan Laxminarayan zu Wort. Er ist Direktor des One-Health-Trust und setzt sich seit Jahren dafür ein, das Problem der Antibiotikaresistenzen ins Bewusstsein von Entscheidungsträgern auf der ganzen Welt zu rücken. „Er hat noch mal betont, wie wichtig es ist, dass alle Menschen auf der Welt Zugang zu Antibiotika haben sollten“, sagt Professor Ulrich Schaible, Sprecher des Forschungsverbunds und Direktor des Forschungszentrums Borstel, Leibniz-Lungenzentrum. Entscheidend sei sicherzustellen, dass Antibiotika angemessen und vernünftig eingesetzt werden, und neue Antibiotika auf den Markt kommen. Zur vernünftigen Anwendung gehöre auch, so Schaible, „dass man rechtzeitig mitbekommt, ob ein Patient mit einem resistenten Erreger infiziert ist, und wogegen der Erreger resistent ist.“
Im Zusammenhang mit der Einführung neuer Medikamente verwies Dr. Michael Stolpe vom Kiel Institut für Weltwirtschaft darauf: „Wir müssen den ganzen Prozess der Einführung neuer Medikamente und der Finanzierung überdenken.“ Denn bisher können Pharmafirmen nur dann Geld mit neuen Medikamenten verdienen, wenn sie möglichst viel davon verkaufen. „Und das ist bei Antibiotika natürlich sehr problematisch, weil dadurch ja ein finanzielles Interesse geschaffen wird, die Übernutzung zu erzeugen“, erklärt der Gesundheitsökonom. Dies ließe sich umgehen, wenn der Erlös nicht über die verkauften Antibiotika-Einheiten berechnet würde, sondern danach, welchen Gesundheitserfolg das Medikament nach Einführung in einem Land auf Bevölkerungsebene erzielt.
Der Podcast „Mikroben im Visier. Infektionen verstehen, Resistenzen besiegen!“ ist auf allen gängigen Podcast-Plattformen verfügbar.
Weitere Informationen:
Podcast des Leibniz-Forschungsverbunds INFECTIONS:
Mikroben im Visier. Infektionen verstehen, Resistenzen besiegen! Folge 2: Die stille Pandemie