25.03.2025

Eine neue Studie zeigt, dass die Übertragung von Tierseuchenerregern durch Gnitzen der Gattung
Culicoides möglicherweise auch im Winter stattfinden kann. Die winzigen Blutsauger gelten als Hauptüberträger des Blauzungenvirus und des Schmallenberg-Virus, die für Wiederkäuer wie Rinder und Schafe gefährlich werden können. Forschende des Leibniz-Zentrums für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) und des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) haben dazu die Winteraktivität dieser Insekten auf landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland untersucht. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift
Medical and Veterinary Entomology veröffentlicht. Sie werfen ein neues Licht auf das Konzept der sogenannten vektorfreien Zeit, in der die Überträger als inaktiv gelten und die Möglichkeit einer Virusübertragung nahezu ausgeschlossen wird.
Bisher wurde angenommen, dass es in Mitteleuropa im Winter eine Zeitperiode gibt, in der
Culicoides-Gnitzen nicht aktiv sind und somit keine Übertragung des Blauzungen- oder Schmallenberg-Virus stattfinden kann. Zur Feststellung einer vektorfreien Zeit gibt es in der EU-Schwellenwerte. Diese richten sich danach, wie viele aktive, jemals blutgesogene Gnitzen pro Nacht und Falle gefangen wurden. Steigt diese Zahl über den Schwellenwert, liegt keine vektorfreie Zeit vor, so dass Übertragungen des Virus nicht mehr ausgeschlossen werden und entsprechend Handelsrestriktionen in Kraft treten können. Epidemiologische Daten hatten bereits darauf hingedeutet, dass das Blauzungenvirus den Winter überdauern könnte und im Folgejahr in den alten Befallsregionen erneut auftrat. Die aktuelle Studie liefert nun weitere Belege dafür, dass Gnitzen auch in den kältesten Monaten in Stallgebäuden aktiv sind. Sie könnten damit zu einer kontinuierlichen Virusübertragung beitragen. Dies stellt die bisherige Annahme einer ausgeprägten vektorfreien Zeit in Frage.
Vorgehensweise und Ergebnisse der Forschenden
Für die Studie untersuchte das Forschungsteam die Aktivität von Gnitzen in zwei Winterperioden (Oktober bis April 2019/2020 und 2020/2021) auf 16 landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland. Die Gnitzen wurden mit UV-Lichtfallen, einer gängigen Fangmethode, sowohl außerhalb als auch innerhalb der Ställe gefangen. In 960 Fängen wurden über 32.000
Culicoides-Gnitzen gefangen, davon über 60% in Stallgebäuden. Besonders auffällig war, dass selbst in den kältesten Monaten Januar und Februar Gnitzen in den Ställen nachgewiesen wurden, während sie im Freien nahezu verschwanden.
Die Forschenden konnten nachweisen, dass etwa 2.000 der gefangenen
Culicoides-Gnitzen Blut aufgenommen hatten - fast 95% davon wurden in den Ställen gefangen.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass
Culicoides-Gnitzen auch im Winter in Stallungen aktiv sind. Die von ihnen übertragenen Viren könnten sich also auch dort halten. Da Gnitzen im Winter Blut aufnehmen können, ist die Übertragung von Viren auch in dieser Jahreszeit möglich“, erklärt
Sarah Groschupp vom ZALF, Erstautorin der Studie.
Auf die Temperatur kommt es an
Die Forschenden stellten fest, dass die Aktivität der Gnitzen stark von der Temperatur abhängt. Einige Gnitzenarten, die als Überträger der Blauzungen- und Schmallenberg-Viren gelten, wurden bei einer Durchschnittstemperatur von 7,4°C gefangen, mit einem Minimum von nur 0,3°C. Die Temperaturen in den Stallgebäuden waren über längere Zeiträume hinweg höher als außen, was die Winteraktivität der Gnitzen begünstigt.
„Unsere Daten zeigen, dass eine vektorfreie Zeit in Ställen möglicherweise nicht oder nur kurzzeitig existiert“, betont Koautorin
Dr. Doreen Werner vom ZALF. „Das könnte bedeuten, dass die bisherigen Maßnahmen für den Handel mit Nutztieren und deren Produkten in Ausbruchsgebieten im Winter überdacht werden müssen. Ebenso spielen die Fangorte der Gnitzen, also ob in- oder außerhalb der Ställe, bei der Definition einer vektorfreien Zeit eine essenzielle Rolle.“
Weitere Untersuchungen sollen nun klären, inwieweit die Winteraktivität der
Culicoides-Gnitzen die tatsächliche Virusübertragung beeinflusst.
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