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Staub, an dem die Wolken wachsen

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​​​​​​​​​​​​​Seit mehr als 25 Jahren sammelt und untersucht Dr. Roger Funk Mikropartikel von Böden in aller Welt. Die Forschungen zum Phänomen »Staub« entführen den Diplom-Agraringenieur in eine Welt, die nur unter dem Mikroskop zu erkennen ist. Gemeinsam mit seinem Team untersucht er die Auswirkungen von Bodenstaubemissionen auf unsere Umwelt. In seinem neuesten Projekt geht er hoch hinaus und trägt dazu bei, den Einfluss von speziellen Bodenstäuben auf die Wolkenbildung zu ergründen.

Staubpartikel sind so winzig, dass unser Auge kaum die einzelnen Körnchen erkennt. Ihr Durchmesser ist kleiner als der eines Haares, doch unter dem Mikroskop offenbaren sie eine beeindruckende Vielfalt. Das Phänomen »Staub« fasziniert Dr. Roger Funk vom Institut für Bodenlandschaftsforschung am ZALF seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Denn so winzig die Partikel auch sind, ihre Bedeutung für Mensch und Umwelt ist enorm: Sie transportieren u. a. Nährstoffe um die halbe Welt und nur mit ihrer Hilfe können sich Wolken bilden. Dr. Funk interessiert sich speziell für die Ursachen und Auswirkungen von Staubemissionen in Agrarlandschaften. Sein wichtigstes Arbeitsgerät: ein Staubmonitor, den er für Forschungen auf verschiedenen Feldern aufstellt. Das Messgerät saugt Luft an und führt sie an einem Laserstrahl vorbei, der die Anzahl und Größe der eingeflogenen Staubpartikel bestimmt. »Das klingt trivial, ist es aber nicht«, sagt Funk. »Wir erfassen die Herkunft und die genaue Zusammensetzung der einzelnen Partikel und erstellen somit einen individuellen ›Fingerabdruck‹ für jede Staubprobe.« Inzwischen hat der Wissenschaftler ein beachtliches Bodenstaub-Archiv aus vielen Teilen der Welt aufgebaut.

 

Die Welt des Kleinen

Schon Kirchenvater Isidor von Sevilla (560 bis 636) beschrieb das Phänomen Staub einst mit den Worten: »Alles was so leicht ist, dass es von Luft empor getragen wird.« Bis heute hat sich an dieser Definition nichts geändert. Erst die Erfindung des Mikroskops im 17. Jahrhundert machte es möglich, die kleinen Partikel genauer zu betrachten. Begeistert schrieb Gottfried Wilhelm Leibniz 1698: »So ist es denn möglich, ja notwendig, dass in den kleinsten Stäubchen, ja, in den Atomen, Welten vorhanden sind, die der unsrigen an Schönheit und Mannigfaltigkeit nichts nachgeben.« 

Größere Staubpartikel von ca. 0,1 Millimeter, also 100 Mikrometer Durchmesser, sind unter dem Lichtmikroskop gut zu sehen. Feine Staubteilchen dagegen, kleiner als ein millionstel Millimeter, sind nur im Rasterelektronenmikroskop zu erkennen. »So klein die Partikel auch sind, gleicht trotzdem keines dem anderen«, sagt Funk. »Wir untersuchen Staub aus ganz unterschiedlichen Quellen, haben Proben aus dem Moor, vom nährstoffarmen Sandboden in Brandenburg, den Lößgebieten Chinas und Argentiniens sowie der Wüste von Arizona untersucht.« Unter dem Mikroskop eröffnete sich die spannende Vielfalt der Partikelstrukturen. Der Wüstensand ist aus vielen kleinen Kristallen zusammengesetzt. Der Bodenstaub vom Brandenburger Sandacker dagegen ist eine Sammlung aus feinen, mineralischen Partikeln und gröberen, organischen Teilchen, die lose nebeneinanderliegen. Im Staub aus fruchtbarem Lößgebiet bilden die organischen und mineralischen Bestandteile kleine, feste Klümpchen. »So, wie sich die Landschaften voneinander unterscheiden, so unterscheiden sich auch ihre Stäube.«

 

​​Schädliche Feinstaubflüge

Diese unterschiedlichen Eigenschaften haben starken Einfluss auf die Anfälligkeit einzelner Partikel für die Winderosion. Die feinsten Bestandteile, wie Ton- und Schluffpartikel sowie die organischen Substanzen, werden am leichtesten aufgewirbelt und fliegen als Erstes fort. Doch ausgerechnet sie enthalten die wertvollsten Bestandteile der Böden: die Nährstoffe. Sandböden sind davon am stärksten betroffen. Selbst kleine mengenmäßige Einbußen verursachen hier einen überproportional hohen Verlust an Bodenqualität. 

»Zehn Jahre lang haben wir die Erosionsprozesse auf den Feldern Brandenburgs untersucht. Wir fanden heraus, dass durch die Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft genauso viel Staub freigesetzt wird wie durch Stürme in der gleichen Zeit. Ganze 212 Kilogramm Humus pro Hektar werden so im Jahr abgetragen«, sagt Funk. Diese schleichende Verminderung der Bodenfruchtbarkeit hat sich zu einem der Hauptprobleme der Bodendegradierung in Europa entwickelt. »Besonders aufschlussreich war es, die Auswirkungen einzelner Arten der Bodenbearbeitung zu untersuchen. Während das Pflügen im Frühjahr etwa 120 mg Feinstaub je Quadratmeter Ackerfläche aufwirbelte, wurden beim Auflockern zur Unkrautbekämpfung schon 186 mg/m² aufgeweht. Die schlimmsten Erosionen aber ruft das Pflügen an warmen, trockenen Sommertagen hervor. Da wirbelten die Traktoren 1045 mg/m² Feinstaub in die Luft und es bildeten sich große Staubwolken«, so Funk. Diese Staubaufwirbelungen stellen nicht nur für die Landwirtschaft ein Problem dar. Im Jahr 2011 zog ein Sandsturm über die Bundesautobahn 19 bei Rostock und führte zu einer verheerenden Massenkarambolage, die acht Menschen das Leben kostete und über 130 Personen verletzte. Nicht weniger bedenklich sind die Auswirkungen auf die Luftqualität. Durch Feinstaubaufwirbelungen auf den Ackerflächen werden die zugelassenen PM10-Grenzwerte immer häufiger überschritten. PM10 sind Staubteilchen, deren Durchmesser kleiner als 10 μm ist. Diese ultrafeinen Partikel dringen in Bronchien und Lungenbläschen ein, manche sogar in das Lungengewebe und den Blutkreislauf des Menschen. Sie können die Ursache für chronische Erkrankungen der Atemwege sein. 

Am ZALF werden Lösungen erprobt, um den Staubaufwirbelungen in der landwirtschaftlichen Bearbeitung entgegen zu wirken. Kleinere Felder mit Windschutzhecken sind beispielsweise weniger windanfällig, und auch die Tageszeit der Feldarbeit spielt eine Rolle: »Bei einem Experiment in unserem Windkanal haben wir einen heißen Sommertag auf einem Feld simuliert. In den frühen Morgenstunden bei ungefähr 21°C Bodentemperatur wurde nur wenig Staub aufgewirbelt. In den Mittagsstunden, wenn die Temperatur der obersten Bodenschicht des Ackers auf 60°C ansteigt, verzehnfachte sich die freigesetzte Staubmenge«, so Funk.​

 

​​Ohne Staub kein Niederschlag

Die Folgen von Staubemissionen sind aber nicht nur regional begrenzt: Sie haben globale Auswirkungen auf das Klima und die Umwelt. »Stürme tragen den Staub hoch in die Luft, wo er mitunter Tausende von Kilometern in weit entfernte Orte fliegt. Manchmal umrundet er sogar den Erdball«, erläutert Funk. Wüstenstürme wehen die Staubpartikel von der Sahara in Afrika über den Atlantik bis nach Mittel- und Südamerika. Landen sie im Ozean, reichern sie das Wasser mit Eisen und Silizium an. Die Nährstoffe führen zu einer verstärkten Algenbildung − eine zusätzliche Nahrungsquelle für Fische. Andererseits trübt ein starkes Algenwachstum das Wasser und gefährdet so die Korallenriffe in der Karibik. 

Eine noch viel bedeutsamere Rolle spielt der Staub aber in der Atmosphäre, denn hier ist er unersetzlich für die Wolkenbildung. Damit aufsteigende Wasserteilchen Wolken bilden, müssen sie kondensieren bzw. gefrieren. Verdunstetes Wasser hat jedoch einen Gefrierpunkt von -70°C, da es komplett keim- und schmutzfrei ist. Ein kleiner Trick der Natur sorgt dafür, dass die Wassermoleküle in der Atmosphäre schon bei viel moderateren Temperaturen gefrieren. Sogenannte »Eiskeime« dienen als Starthilfe. Das sind kleine Schmutzpartikel wie Blütenpollen oder Rußpartikel, Vulkanstaub oder Meersalzpartikel, an denen Eiskristalle wachsen. Die größte bekannte Quelle für solche »Eiskeime« ist jedoch Wüstenstaub, von dem jährlich ca. 1,5 Mrd. Tonnen in die Atmosphäre gelangen. 

»Auch Bodenstäube von landwirtschaftlichen Nutzflächen stehen im Verdacht, einen großen Einfluss auf die Wolkenbildung auszuüben«, sagt Funk. Dieses Phänomen wurde nun erstmals gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) näher erforscht. Dazu wurden am KIT Experimente in einer Wolkenkammer durchgeführt, in der die Prozesse bei der Wolkenbildung simuliert werden können. »Dabei standen die Eiskeimbildungseigenschaften von vier unterschiedlichen Stäuben im Fokus«, erklärt Funk. Die Bodenproben aus Norddeutschland, der Mongolei und Argentinien stammen aus dem Staubarchiv des ZALF. Die Ergebnisse des Experiments sind erstaunlich: Die Wolkenbildungsaktivitäten von Agrarstaub liegen ca. zehn Mal höher als die von Wüstenstaub. »Das sind beeindruckende Fakten. Allerdings wissen wir noch nicht genau, woran das liegt«, resümiert Funk. Dies soll nun Aufgabe weiterer gemeinsamer Forschungsarbeiten sein, um die vielfältigen Wechselwirkungen zwischen Bodenoberfläche und Atmosphäre noch besser zu verstehen. »Stäube sind immer noch große Unbekannte, die relativ wenig erforscht sind. Gerade das macht sie für uns so spannend«, sagt der Staubjäger.

 

Text: Jana Schütze

 

Infomaterial und weiterführende Informationen:

 

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